Beyond Surface ... Projekt-Review zeigt das dicke Ende des Eisbergs!

Zwei internationale Produktionsunternehmen wollen ihre veralteten ERP-Systeme durch eine gemeinsam entwickelte Lösung auf Basis von S/4 HANA und einer Best-Practice für die Chemie Industrie ersetzen. Nach neun Monaten Projektlaufzeit, deutlichen Verzögerungen und hohen Mehrkosten lassen sie das kriselnde Projekt durch peritas überprüfen. Das Ergebnis überrascht: Die Prognose der Spezialisten von peritas zeigt typische Versäumnisse beim Dienstleister auf. Zeit und Kosten erhöhen sich um mindestens 117% gegenüber der ursprünglichen Planung. Peritas verblüfft mit einem einfachen Lösungsansatz...

Dipl.-Ing. (FH) Peter Riedel, Geschäftsführer peritas

Schweizer Berge und holländischer Käse ... die beiden Tochterunternehmen eines international führenden Konzerns haben mit der länderübergreifenden, gemeinsamen Einführung von SAP S/4 HANA eine großes Ziel vor Augen. Doch rund neun Monate nach Beginn der Implementierung durch den beauftragten IT-Service Dienstleister laufen Kosten und Termine aus dem Ruder.

Die Geschäftsführer reagieren auf die ersten Anzeichen und beauftragen peritas als im Konzern gesetzten Management Dienstleister mit einer schnellen Analyse des aktuellen Projektstandes. Das Ergebnis der Analyse steht nach nur wenigen Wochen. Dafür wurden alle im Projekt Beteiligten (Key User, interne/externe Projektleiter) sowohl bei den beiden produzierenden Unternehmen wie auch dem beauftragten Dienstleister intensiv befragt.

Neben den typischen Problemen bei umfangreichen SAP Einführungen wartet auf die Geschäftführung eine unangenehme Überraschung: Das Projekt befindet sich immer noch in der Anfangsphase (EXPLORE in der SAP Methodologie). Es hat seinen ersten wichtigen Meilenstein nicht erreicht: die Abnahme des Pflichtenheftes (sogenannte SOLUTION SPEC).

Parallel zu EXPLORE und deutlich früher als vereinbart, wird, entgegen der ursprünglichen Planung, mit Teilen der Realisierung begonnen, obwohl die hierfür erforderliche Freigabe der Spezifikation noch fehlt.

Das erste Fazit von peritas: Man weiß nicht, wohin die Reise geht, fährt aber schon los. Schließlich za(e)hlt jeder Tag

So kommt es in den ersten neun Monaten des Projektes zu einem Verzug von fünf bis sechs Monaten, während gleichzeitig die budgetierten Kosten explodieren. Mit Blick auf den Kalender sind 70 % der geplanten Zeit verstrichen und rund 60 % des Budgets verbraucht. Der entscheidende Fertigstellungsgrad (POC = Percentage of Completion) liegt aber nach Einschätzung des beauftragten Dienstleisters "... irgendwo unter einem Drittel ...". Derart gravierende Abweichungen der wichtigsten Kennzahlen eines Projektes können nicht unbeachtet bleiben. Das Projekt muss neu geplant werden.

Unter der Oberfläche - Zusammenfassung unserer Analyse

Das Projekt: Zwei Unternehmen - Eine Lösung

Unter dem Dach des gemeinsamen Konzerns hatten die beiden Produktionsunternehmen die Idee, mit dieser (ersten) SAP S/4 Einführung einen gemeinsamen Gruppenstandard zu prägen. Dabei war man sich hinsichtlich der Motivation der Unternehmen wie auch der daraus resultierenden Ziele und Prioritäten nicht einig. Sowohl die administrativen wie auch operativen Prozesse und die Portfolio der Unternehmen unterscheiden sich stark. Eine Konsolidierung der Abläufe (Harmonisierung) im Vorfeld des Projektes (PREPARE) erfolgte nicht.

Zum Zeitpunkt des Einstiegs von peritas war das Projekt 299 Manntage "alt". Die starke Abweichung zwischen den erreichten Meilensteinen (Fertigstellungsgrad <35%), aufgewendeter Zeit (71%) und den aufgelaufenen Kosten (28%) lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Dieses Projekt ist außer Kontrolle!

Projekt Organisation: Best Practice als Erfolgsfaktor?

Die Projektplanung erfolgte unter der Annahme einer "Best Practice" als anerkannt beste Vorgehensweise unter allen relevanten Marktteilnehmern (hier Chemieproduktion). Faktisch allerdings realisierte der beauftragte Dienstleister ein "Most Common" im Sinne der meistgenutzten SAP-Module und Verfahren bei einer willkürlichen Gruppe von Marktteilnehmern. Aussagen zur Qualität, dem erzielten Erfolg oder Messkriterien bzw. Zielen gab es nicht.

Best Practice eignet sich typischerweise für eine Digitalisierung bzw. Abbildung von Prozessen in vergleichbaren Unternehmen mit identischen Geschäftsvorfällen und identischer Strategie. Most Common ist durchaus geeignet für eine Digitalisierung, sofern sichergestellt wird, dass eine individuelle Anpassung an die Prozesse und Strategien der beteiligten Unternehmen erfolgt. Idealerweise konsolidiert man im Zusammenhang mit der Systemeinführung alle Abläufe, um ein gemeinsames Modell im Rahmen einer individuellen Software-Lösung zu erhalten.

In der Analyse kommt peritas zu dem Fazit, dass ein "Most Common" Ansatz absolut ausreichend ist, sofern die Abläufe und Module ausreichend individualisiert werden.

Die Projektleitung besteht aus drei Projektleitern: je einer Person bei jedem der beteiligten Unternehmen sowie einem Projektleiter vom beauftragten Dienstleister. Der Projektmanagement-Ansatz unterscheidet sich bei den beiden Unternehmen. Während ein Unternehmen eher auf agile, flexible Kollaboration im Sinne des oben genannten "Most Common" setzt, wird im anderen Unternehmen ein eher traditionelles Projektmangement mit stringenten Plänen und der Suche nach Perfektion gepflegt. Die Lücke in den gegenseitigen Erwartungen an das Projekt wie auch die Lösung im Ergebnis ist dementsprechend groß und es fehlt die übergeordnete Steuerung durch einen zentralen Projektleiter, der neben dem verabschiedeten Projektplan auch alle Interessen der beteiligten Unternehmen im Blick hat.

Ressourcen

Wie den meisten großen ERP-Projekten fehlen auch diesem Projekt die nötigen Ressourcen. Weniger auf Seiten des Implementierers, der gerne seine Manntage verkauft. Problematisch sind die internen Ressourcen des Unternehmens, soweit sie für das Projekt zur Verfügung stehen. Bedauerlicherweise hat sich das Unternehmen zu einer umfangreichen Beistellung von Spezialisten vertraglich verpflichtet. Dabei wurde übersehen, dass Spezialisten wie "Training Manager", "Analytics Specialists" oder "Technical Architect Infrastructure" in einem Produktionsunternehmen nicht existieren. Insgesamt 15 unterschiedliche Rollen (IT Spezialisten) mit rund 9.737 Manntagen sind vertraglich im Verlauf der vier entscheidenden Phasen erforderlich, aber nicht vorhanden. Die Entscheider überraschen diese Zahlen, verbergen sie sich doch im Projektplan hinter einer simplen Kuchengrafik, deren Segmente man erst auf die Rollen/Phasen übertragen und dann mit dem Taschenrechner addieren muss.

Das Ergebnis ist klar. Die sechsmonatige Verspätung ist aus Sicht des Implementierers natürlich vom Kunden verschuldet, weil er die erforderlichen Ressourcen nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt. Und die Berichte des Steering Committee zeigen auch bei jeder Sitzung einen entsprechenden Hinweis ...

Peritas schafft hier schnell Abhilfe und stellt punktuell Fachleute in sogenannte "Spot-Einsätzen" zur Verfügung, um die Verzögerungen einzufangen.

Budget

Die aktuelle Budgetplanung des Implementierungs-Dienstleisters liegt bereits zwischen 96% und 118% über dem Plan (sichere Mehrkosten). Die vom Dienstleister vertretene Annahme, dass diese Mehrkosten im weiteren Verlauf des Projektes wieder aufgrund von nicht geplanten Vorleistungen eingefangen werden, lässt sich nicht bestätigen.

Stattdessen stellt peritas eine konservative Hochrechnung an. Hier berücksichtigen wir die noch fehlenden Phasen/Module, eine nicht fertiggestellte Spezifikation und den bisher registrierten Aufwand für die nachweisbar erbrachten Leistungen. Im Ergebnis wird von einer guten Verdoppelung der Kosten ausgegangen (+117%), wobei eine hohe Unsicherheit aufgrund der unvollständigen Spezifikation (SOLUTION SPEC) in dieser groben Kalkulation noch viel Luft nach oben lässt.

Herausforderungen

In einem klassischen Spider Diagramm stellt peritas die Ziele bei gut organisiertem Verlauf dem aktuell festgestellten Projektstand gegenüber.

  • Positiv ist, dass sich die Stakeholder hinsichtlich den Zielen & Erwartungen aus dem Projekt in vielen Punkten einig sind. Auch die Entscheidungsfähigkeit bzw. das Regelwerk im Projekt entspricht weitgehend einer guten Praxis (Governance).
  • Große Defizite zeigt das Projekt dagegen in den Bereichen Staffing (Kompetenz & Verfügbarkeit), Kommunikation der Beteiligten, Reporting (Kennzahlen), Budget und Planungsdynamik im Sinne einer zeitnahen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen (wie     z. B. die offenkundige Verzögerung).
  • Nicht vorhanden ist ein übergreifendes Projekt Management (Projektsteuerung), um die erkannten Missstände aktiv anzugehen. Auch eine Transformation der Organisation jenseits der IT-Werkzeuge war nicht eingeplant, wiewohl die unterschiedlichen Abläufe bei den beteiligten Unternehmen ein professionelles Change Management vom ersten Projekttag an erforderlich machen.
Chancen & Risiken

Für die kurzfristig erforderliche Entscheidung der Stakeholder stellt peritas neben einem groben Projektplan und relevanten Entscheidungsoptionen auch die jeweiligen Chancen und Risiken für die beteiligten Unternehmen gegenüber. Neben den unterschiedlich gelagerten, operativen Anforderungen an ein gemeinsames System stand vor allem die Vision eines konzernweiten Standards für moderne ERP Systeme auf Grundlage von SAP im Fokus.

Empfehlungen ǀ "Need-4-Action"

Umgehende Neuplanung unter kompetenter Führung

Wichtigste Handlungsempfehlung war die umgehende Neuplanung des Projektes unter Führung eines kompetenten Projektleiters mit S/4 Hana und Chemie-Erfahrung.

  • peritas stellt mit Präsentation der Analyse einen interimistischen Projektleiter für die Projektlaufzeit zur Verfügung, der neben den operativen Themen auch die Stakeholder Betreuung im Sinne eines transparenten Reporting und Einfordern von verbindlichen Entscheidungen vorantreibt.
  • Der geplante GoLive! für die beiden Unternehmen wird auf drei Termine verteilt. Im Sinne einer agilen (hybriden) Vorgehensweise werden zentrale Aktivitäten konzentriert, dazu gehören das Solution Design, die Detailplanung sowie das Aufsetzen eines Change Management.
  • Parallel, und mit unterschiedlichen Ressourcen bearbeitet, wird die Implementierung der Module. Diese werden, abhängig von den individuellen Prioritäten und Wertschöpfungsketten der beteiligten Unternehmen, nebeneinander aufgegleist und auf unterschiedliche Fertigstellungstermine (GoLive! Part I/II) hin optimiert.
  • Zuletzt (GoLive! Part III) werden in einem gemeinsamen "System Upgrade" die parallelen Systeme und internen Prozesse harmonisiert und auf einen gemeinsamen Stand gebracht.

Diese Vorgehensweise erlaubt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Prioritäten und Erwartungen, Zeit zu sparen, dringend erforderliche System-Implementierungen vorzuziehen und im Ergebnis einen gemeinsamen Konzernstandard zu etablieren. Das aktive Change Management nimmt alle involvierten Personen auf dieser Transformation mit und kompensiert effektiv entstandene Lücken aus dem Projektanfang.

Das dicke Ende liegt immer unter der Oberfläche - Aus der Praxis ...

Als "Best Practice" für eine digitale Transformation eine Reihe von Aussagen & Empfehlungen aus der Praxis:

Prüfen Sie konkrete Referenzen und Beispiele
  • Es zahlt sich für Nicht-IT Unternehmen nur selten aus, zu den "Early Adopters" zu gehören ... schon gar nicht als erstes Unternehmen für eine neue Technologie oder Lösung innerhalb einer spezifischen Branche.
  • Suchen Sie sich einen Anbieter für die Implementierung, der neben der Soft- & Hardware auch Ihre Branche bzw. Ihren Wirtschaftszweig versteht und unterstützt. Nur ein Lösungspartner der Ihre Bedürfnisse versteht, wird auch Ihre Anforderungen erfüllen.
Es gibt keine perfekte Standardlösung
  • Beschreiben Sie Ihre Anforderungen so detailliert und präzise wie möglich, sparen Sie nicht Zeit und/oder Geld für einen gründlichen, schriftlich dokumentierten Anforderungskatalog.
  • Perfekt ist ein sog. "BluePrint" (Deutsch "Blaupause"), dafür gibt es Standards die sicherstellen, dass alle technischen wie organisatorischen Aspekte berücksichtigt werden.
  • Dabei ist auch unbedingt zu berücksichtigen, dass Sie eine flexible Anpassung der Standard-Konfiguration benötigen, damit Ihre individuelle Implementierung ein Erfolg wird. Jedes Unternehmen ist individuell und gerade in der Flexibilität liegt ein Vorteil von Lösungen auf Grundlage von bewährten Standard-Modulen.
  • Lassen Sie sich nicht einreden, dass eine "... Branchenlösung von der Stange ..." Ihr Unternehmen perfekt abbildet und ansatzlos in Ihre bewährten Abläufe passt.
Fordern Sie erstklassige Prozesse & Abläufe
  • Wir wollen realistisch bleiben, eine perfekte Lösung gibt es nicht und kleinere Herausforderungen sind im Verlauf jeder größeren Implementierung nicht zu vermeiden - um nicht zu sagen völlig normal.
  • Trotzdem muss eine implementierte und abgenommene Lösung mit dem GoLive! funktionieren und ohne größere Schwierigkeiten die internen Abläufe im Unternehmen digital abbilden.
  • Auch die wichtige Übernahme von Daten aus Ihren Alt-Systemen muss sauber geplant und generalstabsmäßig umgesetzt werden. Lassen Sie sich vom Dienstleister schon in der Planung klar aufzeigen, wie der Migrationspfad vorgesehen ist, welche Zeit hierfür veranschlagt wird und welche Unterstützung Sie mit Ihrem Team leisten müssen.
  • Legen Sie verbindliche Meilensteine/Termine und klare Fristen fest, um bei Verzögerungen entsprechende Argumente für Nachverhandlungen zu haben.
Der Preis darf nicht entscheidender Faktor sein
  • Budgets für Projekte dieser Größenordnung sind und bleiben knapp. Auch in Zeiten von Wachstum wird von jedem Unternehmensbereich erwartet, dass er mit immer weniger Ressourcen immer mehr erreicht.
  • Aus langjähriger Erfahrung raten wir aber dringend davon ab, die Entscheidung für einen Partner bei der digitalen Transformation Ihrer wesentlichen Geschäftsprozesse einzig nach dem angebotenen Preis zu treffen.
  • Prüfen Sie sorgfältig den Umfang aller angebotenen Leistungen - auch unabhängig von der Software Lösung und insbesondere mit Blick auf die Erfahrung des Anbieters in Ihrem spezifischen Wirtschaftszweig.
  • Machen Sie eine Ausschreibung bzw. einen "Pitch" auf Grundlage eines professionellen Briefing zu Ihren Anforderungen & Erwartungen, erstellen eine Shortlist und verhandeln mit den Anbietern auch über Umfang der gebotenen Unterstützung und die Lieferbedingungen - neben dem Preis.
  • Mit der Entscheidung ein solches Projekt anzugehen haben Sie bereits das Projekt gestartet und die Wahl des richtigen Anbieters ist die erste und häufig entscheidende Phase!
Binden Sie (externe) Experten frühzeitig ein
  • Gerade wenn Sie nicht selbst über die notwendige IT- und Projekt Erfahrung im Team verfügen, holen Sie sich frühzeitig Profis dazu. Das empfehlen wir natürlich auch, weil wir bei peritas schnell einsetzbare Teams kurzfristig verfügbar haben und unser Bereich "Transformation Management" einer der am schnellsten wachsenden Bereiche der letzten Jahre ist.
  • Neben dem Eigenzweck gibt es noch einen anderen, sehr guten Grund. Wann immer wir "schnell" helfen sollen - weil das Kind schon im Brunnen liegt - stellen wir fest, wie viel einfacher, besser und kostengünstiger diese Unterstützung geworden wäre, wenn man sie zu Beginn des Projektes eingebracht hätte.
  • Unsere Teams verfügen über hunderte Mannjahre an IT- und Branchenerfahrung - damit bringen wir Sie auf Augenhöhe mit Ihrem Implementierungsdienstleister und stellen sicher, dass Ihre Interessen zu jedem Zeitpunkt im Projekt gewahrt sind.
  • Wir können Sie nicht vor unangenehmen Überraschungen schützen ... aber wir werden Sie früher auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen, pragmatische Lösungen finden und Maßnahmen mit schnell verfügbaren Spezialkräften umsetzen, um so Ihre Projekte im vereinbarten Zeit- und Budgetrahmen ins Ziel bringen.
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